Mit den Abkommen mit Australien und Neuseeland treten in diesem Monat zwei der ersten Freihandelsabkommen des Vereinigten Königreichs nach dem Brexit in Kraft.
Als sich der australische Premierminister Anthony Albanese und sein neuseeländischer Amtskollege Chris Hipkins zur Krönung von König Charles III. im Mai in London aufhielten, nutzten die Gelegenheit zu einem Treffen mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak, um die Vorteile der Abkommen zu betonen.
Sunak betonte: „Ich bin hocherfreut, dass unsere ersten von Grund auf neu geschaffenen Handelsabkommen gerade mit Australien und Neuseeland geschlossen werden, einige unserer engsten Verbündeten und engsten Freunde.“
Die Freihandelsabkommen ernteten jedoch auch Kritik, wobei einige Kommentatoren und Politiker in Westminster der Meinung sind, sie würden zu einseitig zugunsten der Handelspartner des Vereinigten Königreichs ausfallen. Wer sind also die wahren Gewinner beider Freihandelsabkommen und welche kurz- und langfristigen Folgen könnten die neuen Vereinbarungen haben?
Wichtigste Vorteile der Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland
Zu den wichtigsten Änderungen, die am 31. Mai um Mitternacht in Kraft treten, gehören die Abschaffung der Zölle für britische Einfuhren nach Australien und Neuseeland, sowie flexiblere Ursprungsregeln. Nach Angaben der britischen Regierung wird dies den Unternehmen des Landes bei der Expansion auf diesen Märkten einen wichtigen Vorsprung gegenüber internationalen Wettbewerbern verschaffen.
Mittlerweile erhalten australische und neuseeländische Exporteure ebenfalls für die meisten Waren zollfreien Zugang, einschließlich wichtiger Lebensmittel und Getränke.
Die britische Regierung schätzt, dass die Abkommen langfristig zu einer Steigerung des bilateralen Handels mit Australien um 53 Prozent und mit Neuseeland um 59 Prozent beitragen werden. Jedoch dürften sich die tatsächlichen Auswirkungen auf die britische Wirtschaft in Grenzen halten: Einem Regierungsbericht zufolge würde das Abkommen mit Australien lediglich zu einer Steigerung des BIP von nur ca. 0,04 Prozent führen.
Die britische Handelsministerin Kemi Badenoch sagte: „Mit diesen beiden Abkommen nutzt das Vereinigte Königreich den Status als unabhängige Handelsnation, um Abkommen an die wirtschaftlichen Stärken des Landes anzupassen ... Die Umsetzung dieser Handelsabkommen kann Unternehmen zu neuen Möglichkeiten verhelfen, zu einer Steigerung der Löhne führen und das Wirtschaftswachstum ankurbeln.“
Winzer, Landwirte und Fischerei gehören zu den bedeutendsten Nutznießern
Die meisten Beobachter erwarten, dass Landwirtschaft, Fischerei und Weinbau in Australien und Neuseeland den größten Nutzen aus den Abkommen ziehen werden und deren Branchenverbände haben die Freihandelsabkommen bereits begrüßt.
Sarah Wilson, Syndikus und Sprecherin des Winzerverbands New Zealand Winegrowers, sagte, das Abkommen sei „sehr positiv“ für den Sektor. Sie fügte hinzu: „Es wird zu einer stärkeren Angleichung der Standards bei der Weinherstellung in den beiden Ländern führen und zum Abbau technischer Handelshemmnisse beitragen, indem die Auflagen für Zertifizierung und Etikettierung bei neuseeländischen Weinexporte minimiert werden.“
Das Vereinigte Königreich ist derzeit zweitgrößter Absatzmarkt für neuseeländische Weine. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Ausfuhren auf einen Wert von über 470 Millionen NZ$. Ähnlich verhält es sich bei australischen Winzern, die im Jahr 2021 Wein im Wert von 450 Millionen AU$ in das Vereinigte Königreich exportiert haben und damit knapp hinter den USA liegen. Es wird angenommen, dass die Senkung der Zölle für australische Unternehmen eine Ersparnis von bis zu 50 Millionen AU$ pro Jahr bedeutet.
Die Zölle auf australische Meeresfrüchte wie Hummer, Lachs, Barramundi und Forellenbarsch, die bisher 12 Prozent betrugen, werden ebenfalls abgeschafft, was Veronica Papacosta, Geschäftsführerin von Seafood Industry Australia, als „großartige Nachricht“ bezeichnete.
Einer der größten Streitpunkte des Freihandelsabkommens waren landwirtschaftliche Erzeugnisse. Viele britische Landwirte befürchteten, durch billige Importe aus australischen Mastbetrieben könnten die Preise für inländisches Fleisch unterboten werden. Im Gegenzug werden daher die Einfuhrzölle auf Rind- und Lammfleisch in den nächsten zehn Jahren beibehalten. Allerdings wird das Kontingent für zollfreie Waren in diesem Übergangszeitraum von 35.000 Tonnen auf 110.000 Tonnen erhöht.
Andrew McDonald von Meat and Livestock Australia erklärte gegenüber dem Sender ABC, dieser schrittweise Ansatz bedeute nicht, dass australische Landwirte mit einem sofortigen steilen Anstieg von Verkäufen in das Vereinigte Königreich rechnen sollten, sondern biete Exporteuren eher einen starken Anreiz, den britischen Verbrauchern in den kommenden Jahren ihre Produkte vorzustellen.
„Es wird einige Zeit dauern, bis die Verbraucher in Großbritannien sich davon überzeugt haben, welche der australischen Produkte ihnen am besten gefallen“, sagte er.
Welche Auswirkungen haben die Abkommen auf britische Exporteure?
Für britische Unternehmen dürften viele Vorteile der beiden Freihandelsabkommen wohl dem Dienstleistungssektor zugutekommen, auf den 80 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes entfallen. Aber auch die Warenexporteure werden einen leichteren Zugang zu den australischen und neuseeländischen Märkten erhalten, wobei von der britischen Regierung die Chancen für britische Spirituosen wie Gin, Süßwaren und Fahrzeuge betont werden.
So hatte beispielsweise Seed and Bean, ein Schokoladenhersteller mit ethischen Grundsätzen, zuvor nach Australien und Neuseeland exportiert, bevor dann die Corona-Beschränkungen den Verkauf stoppten. Der Chef-Chocolatier des Unternehmens, Oliver Shorts, erklärte jedoch, dass die durch die Freihandelsabkommen geschaffenen geringeren Handelshemmnisse seinem Unternehmen ermöglichen würden, die Lieferungen wieder aufzunehmen.
„Eines der größten Hemmnisse beim Zugang sind die mit der Wareneinfuhr verbundenen Kosten und dadurch können wir die Gewinnspannen möglicher Händler verbessern und dem Produkt zu einer besseren Position im Markt verhelfen“, sagte er.
Der britische Verband der Automobilhersteller und -händler (SMMT) begrüßte das Abkommen ebenfalls und stellt fest, dass es dem Automobilsektor nicht nur zollfreien Zugang zu einem erheblich wachsenden Markt eröffnet, sondern auch die Möglichkeit bietet, seine Lieferketten für entscheidende Komponenten wie Batterien zu diversifizieren.