Ein Freihandelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und Israel: Was könnte es mit sich bringen?

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Es wurden Gespräche über ein neues Freihandelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und Israel aufgenommen – aber wer würde von einem solchen Abkommen profitieren?


Das Vereinigte Königreich und Israel haben Verhandlungen über ein neues Freihandelsabkommen (FTA) zwischen den beiden Ländern aufgenommen. Ziel ist es, die starken Handelsbeziehungen, die bereits einen Wert von rund 5 Milliarden Pfund pro Jahr haben, weiter auszubauen.

Die Gespräche begannen am 20. Juli, als die britische Handelsministerin Anne-Marie Trevelyan mit der israelischen Botschafterin Tzipi Hotovely in London zur Eröffnung der Gespräche zusammentraf. 

Welche Themen stehen im Mittelpunkt der Verhandlungen, und wie könnte ein Abkommen den Handel zwischen den beiden Ländern fördern?

Der Weg zu einem Freihandelsabkommen

Israel ist bereits ein wichtiger Handelspartner des Vereinigten Königreichs, denn rund 6.600 britische Unternehmen exportieren Waren nach Israel. Inzwischen sind auch rund 325 Unternehmen in israelischem Besitz im Land tätig und die Gesamtexporte ins Vereinigte Königreich werden sich bis 2035 voraussichtlich verdoppeln.

Beide Länder sind daher bestrebt, diese positive Grundlage auszubauen. In einem gemeinsamen Meinungsbeitrag für den Daily Telegraph im vergangenen Jahr hoben die britische Außenministerin Liz Truss und der israelische Außenminister Yair Lapid die lange Geschichte der beiden Länder als Verbündete und ihre gemeinsamen Anstrengungen in Bereichen wie Cyberspace, Technologie und Verteidigung als Felder hervor, in denen sie eine engere Handelsbeziehung aufbauen können.

Der Handel zwischen den beiden Ländern basiert jedoch immer noch auf Abkommen, die seit 1995 in Kraft sind. Ein modernisiertes Abkommen könnte daher den Weg für eine stärkere Zusammenarbeit im Technologiebereich, einen leichteren Personen- und Dienstleistungsverkehr und neue Möglichkeiten für Exporteure von schottischem Whisky, Elektrofahrzeugen und Baumaterialien ebnen, um nur einige zu nennen.

Trevelyan sagte: „Wir wollen ein Abkommen, das die Stärken Großbritanniens ausreizt und gleichzeitig die Innovation fördert und die Chancen für kleine und mittlere Unternehmen im gesamten Vereinigten Königreich verbessert. Die Bündelung der Kraft unserer Volkswirtschaften in einem überarbeiteten Handelsabkommen wird den Handel ankurbeln, Arbeitsplätze fördern und dazu beitragen, unsere Wirtschaftsbeziehungen auf die nächste Stufe zu heben.“    

Welche Bereiche könnten von einem Handelsabkommen profitieren?

Zwischen dem Vereinigten Königreich und Israel besteht bereits ein umfangreicher Handel in Schlüsselsektoren wie der Luft- und Raumfahrt und der Pharmazie. Truss und Lapid nannten etwa die Lieferung von Rolls-Royce-Düsentriebwerken nach Israel und die Tatsache, dass das israelische Unternehmen Teva eines von sechs verschreibungspflichtigen Medikamenten des britischen Gesundheitsdienstes NHS liefert, als Beispiele für die engen Beziehungen zwischen den beiden Ländern.

Obwohl das bestehende Handels- und Partnerschaftsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und Israel bedeutet, dass 94 Prozent der britischen Waren, die nach Israel exportiert werden, bereits von einem zollfreien Zugang zu diesem Markt profitieren – zusammen mit 93 Prozent der Waren, die in die andere Richtung gehen – , soll das Freihandelsabkommen noch verbleibende Hindernisse beseitigen. 

In den Antworten auf eine Befragung der britischen Regierung wurde beispielsweise die Landwirtschaft als ein Bereich herausgestellt, in dem die Zölle weiterhin hoch sind.

An anderer Stelle merkten die Befragten an, dass der Erhalt von Regeln zur Ursprungsbescheinigung von den lokalen Zollbehörden derzeit aufwändig ist, während die fortgesetzte Verwendung von papierbasierten Prozessen für Zollverfahren ebenfalls ein nichttarifäres, zollfremdes Handelshemmnis darstellt. Dies sind ebenfalls Bereiche, die im Rahmen eines umfassenden Freihandelsabkommens behandelt werden könnten.

Die Ausweitung der Rolle von Dienstleistungen wird ein weiterer wichtiger Punkt der Gespräche sein. Die britische Regierung wies darauf hin, dass sowohl das Vereinigte Königreich als auch Israel in hohem Maße dienstleistungsbasierte Volkswirtschaften sind –auf diesen Bereich entfallen 80 Prozent bzw. 78 Prozent des BIP. Derzeit belaufen sich jedoch nur 36 Prozent des Handels zwischen den beiden Ländern auf Dienstleistungen, was darauf schließen lässt, dass hier ein großes ungenutztes Potenzial vorhanden ist.

Sally Jones, Partnerin für Handelsstrategie bei EY, begrüßte die Fortschritte und fügte hinzu: „Dies ist eine Gelegenheit, Dienstleistungen, digitale Technologie und Innovation in den Mittelpunkt der bereits starken Handelsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Israel zu stellen. Sowohl das Vereinigte Königreich als auch Israel sind für ihre dynamischen Technologie- und FinTech-Bereiche bekannt, die beide von diesem neuen Abkommen profitieren werden."

Welche Hindernisse könnte es geben?

Während sich die britische und die israelische Regierung auf ein „innovationsorientiertes Freihandelsabkommen“ konzentrieren, haben einige Gruppen Bedenken geäußert, dass politische und Menschenrechtsfragen nicht außer Acht gelassen werden dürfen, insbesondere wenn es um Gebiete wie Palästina geht.

Amnesty International warnte beispielsweise, dass jedes Abkommen sorgfältig ausgearbeitet werden müsse, um zu verhindern, dass Israel seine Ansprüche auf palästinensisches Land festigen könne. Die Organisation wies darauf hin, dass dies eine Schwachstelle des bestehenden Freihandelsabkommens zwischen Israel und der EU sei, die Exporteuren erlaube, in besetzten Gebieten hergestellte Waren als israelisch zu bezeichnen.

„In ihrer Eile, ein glänzendes neues Handelsabkommen mit Israel zu vereinbaren, besteht die Gefahr, dass die britischen Verhandlungsführer es versäumen, absolute Klarheit über die genaue Herkunft der für den britischen Markt bestimmten Waren zu schaffen“, kommentierte der Direktor für wirtschaftliche Angelegenheiten von Amnesty International UK Peter Frankental.

Die Palästina-Frage ist seit langem ein Knackpunkt in den israelischen Handelsbeziehungen, aber die Unterzeichnung eines historischen Freihandelsabkommens zwischen dem Land und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu Beginn dieses Jahres – das erste zwischen Israel und einer arabischen Nation – könnte darauf hindeuten, dass Handelsdiplomatie in der Region trotz politischer Spannungen noch möglich ist.