Die Welthandelsorganisation (WHO) hat in einer neuen Prognose davor gewarnt, dass sich der Welthandel in diesem Jahr abschwächen wird. Zwar wird erwartet, dass das Handelsvolumen im Vergleich zum Vorjahr insgesamt zunimmt, doch wird das Tempo 2023 voraussichtlich nachlassen. Dabei tragen makroökonomische Faktoren wie hohe Inflation, größere finanzielle Unsicherheit und der anhaltende Krieg in der Ukraine zu einer geringeren Nachfrage nach Waren bei.
Was also sind die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Bericht für Importeure und Exporteure weltweit und welche Faktoren können Unternehmen erwarten, die sich auf die Nachfrage für den Rest des Jahres 2023 und bis 2024 auswirken?
Welches waren 2022 die wichtigsten Ereignisse im Handel?
Im Bericht mit dem Titel „Global Trade Outlook and Statistics“ wird geschätzt, dass das Volumen des Welthandels insgesamt für das gesamte Jahr um 1,7 Prozent steigen wird. Die Vergleichszahl für 2022 liegt bei 2,7 Prozent.
Auch die Gesamtleistung des vergangenen Jahres blieb hinter den Erwartungen zurück, was die WHO auf einen starken Rückgang im vierten Quartal zurückführt. Dazu trugen mehrere Faktoren bei, darunter ein erheblicher Anstieg der weltweiten Rohstoffpreise, der hauptsächlich auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen ist.
Eine separate WHO-Studie ergab jedoch, dass viele der von diesen Schocks am meisten gefährdeten Volkswirtschaften in der Lage waren, für die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern Ersatzprodukte und -lieferanten zu finden, was den Schaden minimiert hat. Die WHO erklärte dazu: „Ohne ein offenes und integratives multilaterales Handelssystem als Anker der Weltwirtschaft wäre diese Reaktion wohl nicht möglich gewesen.“
Insgesamt stieg der Wert des weltweiten Warenhandels im Jahr 2022 um 12 Prozent auf 25,3 Billionen US-Dollar. Dies lag teilweise an gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreisen.
Laut Bericht haben Länder in Europa, die früher auf russische Energieimporte angewiesen waren, für Flüssigerdgas auf Lieferanten wie die USA, Katar und Algerien zurückgegriffen, was dazu geführt hat, dass die Preise für diesen Rohstoff anderswo gestiegen sind, beispielsweise in Japan.
Ähnlich verlief es bei den Lebensmitteln. So gingen beispielsweise Äthiopiens Weizeneinfuhren aus Russland und der Ukraine um 75 % bzw. 99,9 % zurück, was jedoch durch größere Lieferungen aus den USA und Argentinien ausgeglichen wurde. Insgesamt stiegen die Lebensmittelpreise im Jahr 2022 um 18 Prozent, während bei Preisen für Düngemittel im Vergleich zum Vorjahr ein noch größerer Sprung um 63 Prozent verzeichnet wurde.
Wichtigste Faktoren für das Handelsvolumen im Jahr 2023
Im Jahr 2023 wirken sich viele der Risiken, die bereits in den letzten 12 Monaten bestanden, weiterhin auf den Handel aus. Allerdings stellt auch das wachsende Unbehagen auf den globalen Finanzmärkten eine Bedrohung dar.
WHO-Chefökonom Ralph Ossa sagte: „Die andauernden Auswirkungen der Corona-Pandemie und die zunehmenden geopolitischen Spannungen waren die wichtigsten Faktoren, die Handel und Produktion im Jahr 2022 beeinträchtigten, und dies wird wahrscheinlich auch 2023 der Fall sein. Die Zinserhöhungen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften haben auch Schwächen in den Bankensystemen offenbart, die zu größerer finanzieller Instabilität führen könnten, wenn sie nicht unter Kontrolle gebracht werden.“
Er warnte daher, dass Regierungen und Regulierungsbehörden in den kommenden Monaten wachsam hinsichtlich möglicher Auswirkungen von Finanzrisiken sein müssten.
Trotz dieser Probleme stellt die Gesamtzahl für das Handelswachstum eine Verbesserung gegenüber früheren Schätzungen dar, die von einem Anstieg um ein Prozent ausgingen. Ein Schlüsselfaktor dafür ist die Lockerung der strengen Corona-Kontrollen in China. Es wird erwartet, dass dies die Tore für die angestaute Verbrauchernachfrage im Lande öffnet, was wiederum den internationalen Handel ankurbeln wird.
Weitere Aussichten
Für das kommende Jahr prognostiziert der WHO-Bericht eine leichte Erholung des weltweiten Handelswachstums, das voraussichtlich 3,2 Prozent erreichen wird. Die Organisation weist jedoch darauf hin, dass diese Prognose weitaus unsicherer ist als üblich. Zunehmende geopolitische Spannungen, weltweite Ernährungsunsicherheit, unvorhergesehene Folgen der geldpolitischen Verschärfung und eine steigende Verschuldung sind allesamt potenzielle Negativfaktoren, die den Handel im Jahr 2024 und darüber hinaus beeinträchtigen könnten.
Die Generaldirektorin der WHO, Ngozi Okonjo-Iwaela, kommentierte den Bericht mit den Worten: „Der Handel bleibt weiter eine widerstandsfähige Kraft in der Weltwirtschaft, aber er wird auch 2023 aufgrund externer Faktoren unter Druck stehen. Umso wichtiger ist es, dass die Regierungen eine Fragmentierung des Handels vermeiden und keine Handelshemmnisse einführen.“
Sie appellierte an alle Mitglieder des Gremiums, der multilateralen Zusammenarbeit im Handel in diesem Jahr den Vorrang einzuräumen, um sowohl das Wirtschaftswachstum als auch den weltweiten Lebensstandard langfristig zu steigern.