Das Rahmenabkommen von Windsor: Was bedeutet es für den Handel nach dem Brexit?

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Welche Bestimmungen enthält das kürzlich angekündigte Rahmenabkommen von Windsor zum Abbau von Handelsschranken zwischen Großbritannien, Nordirland und der EU?


Im vergangenen Monat kündigten das Vereinigte Königreich und die EU eine lang erwartete Vereinbarung zur Überarbeitung der Handelsregelungen in Nordirland an, die für Händler, die Waren über die Irische See transportieren, weniger Kontrollen und Papierkram bedeuten soll.

Die Vereinbarung ist als Rahmenabkommen von Windsor bekannt und wurde auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak und der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen bekannt gegeben. Es markiert bei einem der größten Knackpunkte nach dem Brexit einen großen Schritt nach vorn und soll – zumindest vorerst – die Möglichkeit eines umfassenden Handelskriegs zwischen beiden Seiten abwenden.

Was also bedeuten die neuen Regeln für Händler und wie sollen sie den Warenverkehr von Großbritannien nach Nordirland und darüber hinaus erleichtern?
 

Was sind die wichtigsten Elemente des Abkommens?

Zu den wichtigsten Bestimmungen des Rahmenabkommens gehört die Einführung von zwei neuen Systemen für Händler, die Waren von Großbritannien nach Nordirland verschiffen, und zwar je nachdem, ob sie in der Provinz bleiben oder in die EU weitertransportiert werden sollen. 

Für Waren, die im Vereinigten Königreich verbleiben, wird es eine neue „grüne Spur“ geben, die es möglich macht, die nordirischen Häfen ohne physische Kontrollen und mit deutlich weniger bürokratischem Aufwand zu passieren. Waren, die in die Republik Irland und damit in die EU gelangen sollen, müssen eine „rote Spur“ passieren, wo vollständige Zollkontrollen durchgeführt werden.

Zu diesem Zweck wird der Datenaustausch zwischen den Zollbehörden des Vereinigten Königreichs und der EU ausgeweitet, während neue Kontrollen und Kennzeichnungsvorschriften nur für die Waren gelten, die die rote Spur passieren.

Damit sollen viele der Schwierigkeiten praktischer und politischer Art beseitigt werden, die die derzeitige Regelung mit sich brachte. Sie stellte im Wesentlichen eine Zollgrenze zwischen Großbritannien und Nordirland in der Irischen See dar.

Das ist deshalb wichtig, weil eine offene Grenze zwischen Nordirland und der Republik für die Fortsetzung des Karfreitagsabkommens unerlässlich ist. Dies bedeutet jedoch, dass die Provinz im Gegensatz zum Rest des Vereinigten Königreichs zu Zollzwecken de facto im Binnenmarkt bleibt.

Andere Elemente des Rahmenabkommens befassen sich mit vielen der politischen Herausforderungen, die sich durch einzigartige Stellung Nordirlands sowohl im Vereinigten Königreich als auch im Binnenmarkt ergeben. Danach sollen große Teile große Teile des EU-Rechts, die in Nordirland noch gelten, abgeschafft werden.

Was bedeutet das Abkommen für den grenzüberschreitenden Handel?

Eine wichtige Änderung sollte eine erhebliche Verringerung des bürokratischen Aufwands und der Zollanforderungen bei der Einfuhr nach Nordirland sein. Derzeit werden alle Sendungen einer Sichtprüfung unterzogen, um die Identität der Waren zu bestätigen. Nach Angaben der britischen Regierung soll dies bis 2025 auf nur noch fünf Prozent reduziert werden, wodurch das Verfahren für die meisten Waren erheblich beschleunigen würde. 

Aus Regierungskreisen heißt es auch, dass nach den geltenden Vorschriften ein einziger Supermarkt-Lkw bis zu 500 Bescheinigungen für jedes einzelne Produkt hätte vorlegen müssen. Stattdessen kann der Spediteur nun mit einer einzigen Bescheinigung bestätigen, dass die Waren in Nordirland verbleiben werden.

Man erwartet, dass Warenkontrollen bei Sendungen über die grüne Spur nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden, etwa wenn der Verdacht besteht, dass die Regelung missbraucht wird. 

Eine Reihe von Waren, die nach dem alten Protokoll nicht von Großbritannien nach Nordirland versandt werden durften, wie z. B. gekühlte Würstchen, fallen nun ebenfalls unter den freien Verkehr zwischen Großbritannien und Nordirland. Inzwischen wird es für die Pharmaindustrie möglich sein, eine einzige Arzneimittelpackung für das gesamte Vereinigte Königreich, einschließlich Nordirland, herzustellen.

Welche neuen Anforderungen kommen hinzu?

Hier ist vor allem die Einführung neuer Kennzeichnungsvorschriften, insbesondere für Lebensmittel und Getränke, zu nennen. So müssen alle Lebensmittel, die für den nordirischen Markt bestimmt sind, ein Etikett mit der Aufschrift „Nicht für die EU“ auf entsprechender Verpackungsebene tragen. 

Vorverpacktes Fleisch und Frischmilch müssen beispielsweise einzeln etikettiert werden, während lose verkaufte Waren wie frisches Obst nur kistenweise zu kennzeichnen sind. Außerdem müssen gut sichtbare Schilder und Plakate neben den Preisschildern an den Regalen in den Supermärkten angebracht werden, damit die Verbraucher wissen, dass die Waren nicht für die EU bestimmt sind.

Bis zum 1. Juli 2025 müssen alle Einzelhandelsartikel, die nicht lose verkauft werden, mit einem individuellen Etikett versehen werden. Ausgenommen sind solche Artikel, für die keine amtliche Kontrolle an den EU-Grenzübergängen vorgeschrieben ist, wie Süßwaren, Schokolade, Teigwaren, Kekse, Kaffee, Tee, Liköre sowie Obst- und Gemüsekonserven.

Zur Sicherzustellung der Einhaltung der Vorschriften werden verschiedene Schutzmaßnahmen eingeführt. Dazu gehören der Datenaustausch zwischen den Zollbehörden des Vereinigten Königreichs und der EU nahezu in Echtzeit, die Überwachung des Warenverkehrs im Einzelhandel, die Rückverfolgbarkeit und die Listung der zum Versand und Empfang zugelassenen Betriebe. 

Das Rahmenabkommen enthält auch Bestimmungen, die eine vollständige oder teilweise Aussetzung der neuen Vorschriften ermöglichen, wenn entweder spezifische Probleme oder Systemfehler bei der Einhaltung der Vorschriften auftreten.

Welche möglichen Hürden sind noch zu erwarten?

Obwohl das Rahmenabkommen von Windsor eine wesentlich straffere Regelung für den Warenverkehr zwischen Großbritannien, Nordirland und der EU über die Irische See verspricht, bleiben doch noch Hürden zu überwinden. Dies sind in erster Linie politische Bedenken hinsichtlich des Status Nordirlands in der Union und welchen Einfluss die EU auf die dortigen Gesetze hat. 

Die Einführung der „Stormont-Bremse“, die der nordirischen Versammlung (Stormont) die Möglichkeit gibt, ein Veto gegen bedenkliche Maßnahmen einzulegen, soll zur Entschärfung einiger dieser Probleme beitragen. Allerdings bleibt abzuwarten, ob wichtige Akteure wie die Democratic Unionist Party mitziehen werden.

Die EU ist jedoch zuversichtlich, dass Fortschritte erzielt werden können und könnte einige Aspekte des Rahmenabkommens bis Ende März formell annehmen.